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Zum Fastentuch der Gartenkirche

Zum Fastentuch der Gartenkirche Hannover in der Propsteikirche

In dieser Fastenzeit haben wir anlässlich des 400. Bestehens des Telgter Hungertuch mit der evangelischen Gartenkirche ein wunderbares Austauschprojekt. In der Gartenirche hängt eine Kopie des ersten Telgter Hungertuches (Das original ist im Museum RELiGIO zu sehen.) Und in unserer Propsteiirche hängt das zeitgenössische Hungertuch aus der Gartenkirche. Es wurde von der Textilkünstlerin Constanze Rilke geschaffen.

Am 12. März hatten wir Besuch aus der evangelischen gartenkirche und Pastor Dohrmann erschloss uns in seiner Predigt das zeitgenössische Fastentuch, dass in dieser Fastenzeit in der Propsteikirche hängt.

Wir haben seine Predigt für Sie dokumentiert:

Predigt über das Fastentuch der evangelischen Gartenkirche in Telgte – 12. März 2023

Liebe Brüder und Schwestern in Telgte,

was für eine Ehre, dass ich als Protestant hier in diesem urkatholischen Marienwallfahrtsort predigen darf! Propst Langenfeld machte mir ökumenisch großzügig auch nur eine einzige Bedingung: Ich soll mich katholisch kurz halten und nicht so evangelisch lang predigen. Ich gebe mir Mühe.

Ich soll über unser Fastentuch sprechen. Das Fastentuch wurde für unsere Gartenkirche in Hannover geschaffen und nimmt den Namen unserer Kirche auf: Blumen sind darauf zu sehen. Und Tiere. Vielleicht fragen sie sich aber, warum wir überhaupt Gartenkirche heißen? Im 18. Jh. ist die Gartenkirche als erste Kirche außerhalb der Stadtmauern Hannovers gegründet worden. Man nannte damals die Menschen, die in unserem Gemeindegebiet lebten, die Gartenleute oder Gartenkosaken, weil sie im Unterschied zu denen in den Stadtmauern Gärten hatten. Das ist aber längst Vergangenheit. Mittlerweile liegt die Gartenkirche mitten in der Stadt.

Aber Gartenkirche ist auch ein biblischer Name. Die Bibel beginnt mit einem Garten: Der Mensch ist in den Garten Eden gesetzt. Die Welt ist eigentlich so schön wie ein Garten. Alles ist in Hülle und Fülle da. Die Welt ist ein guter Ort. Und der Mensch ist dazu von Gott bestimmt, mit dieser Welt wie ein guter Gärtner umzugehen.

Aber wir greifen nach der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis. Wir wollen alles für uns haben: Gut und Böse zu erkennen, verspricht die verbotene Frucht. Das meint: Alles, gut und böse, für mich. Wir wollen ohne Gott leben und verlieren den Garten Eden.

Und die Welt wird zum Kriegsschauplatz und Kampffeld.

Aber die Sehnsucht ist in uns, dass die Welt wieder ein Garten sein könnte. Das Fastentuch drückt diese Sehnsucht aus. Es ist ein Widerschein des Paradieses. Wir sehnen uns nach diesem Garten, nach Frieden, nach Schönheit, nach Gott.

Auch im Evangelium spielen Gärten eine Rolle. Da ist der Garten Gethsemane: Jesus ringt in diesem Garten vor den Toren Jerusalems mit seinem Weg. Vielleicht sieht man die Einsamkeit und Abendstille von Gethsemane in dem Fastentuch. Vielleicht erinnert es an eigene Momente, wo wir verzweifelten an Gott. Als die Diagnose der Krankheit kam. Als wir einen lieben Menschen verloren.

Am Ende nimmt Jesus seinen Weg an: Er vertraut Gott. Er geht in Leiden und Tod, um sich hinzugeben aus Liebe.

Als er vom Kreuz abgenommen wird, ist da am Fuß von Golgatha ein Garten mit einem Grab. Dort legt man ihn hinein.

Am dritten Tag findet Maria Magdalena dieses Grab im Garten leer. Nur einem Gärtner begegnet sie. Zumindest denkt sie, dass es der Gärtner ist, wer sollte da sonst so früh am Morgen im Garten sein. Erst als er sie ruft: Maria: Da erkennt sie ihren Meister wieder, den auferstandenen Christus. Da blüht wieder der Garten. Da ist Eden wieder da. Es sind die Blüten des Ostergartens, die uns auf dem Fastentuch entgegen blühen: Ein Leben in seiner ganzen Fülle, ein leben das bis auf seinen Grund hin, bis auf Gott hin verkostet wird.

Der Sündenfall im Garten Eden, die Passion in Gethsemane, der Ostermorgen im Garten: Das alles ist im Fastentuch gegenwärtig.

Noch mehr ist in diesem Tuch zu entdecken. Da ist ein Rand aus Tieren. Auch Tiere, die sonst niemals so nahe friedlich beieinander wären, sind zu sehen.

Das erinnert an ein Wort bei Jesaja: Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. So einen Frieden wünschen wir uns. Dass der Starke den Schwachen beschützt. Dass Russland und die Ukraine so beieinander wohnen als Nachbarn.

Keines dieser Tiere ist zufällig ausgesucht: Zu jedem der über 50 verschiedenen Tiere ließe sich eine Geschichte erzählen. Im unteren Rand sind Tiere dargestellt, die ein Laster bedeuten können: Der Hahn steht für unseren Stolz, das Eichhörnchen für unsere Habgier.

Ganz oben sind Tiere dargestellt die Christus symbolisieren: Der Delphin steht für die Freundschaft Christi, der Löwe für sein Königtum.

An den Seiten sind Tiere dargestellt die zwei Seiten haben: Die Schlange z. B. mahnt uns: Seid klug wie die Schlangen! Aber sie steht auch für das Böse.

Auch das Ringen jedes Einzelnen gegen die Sünde und die Versuchung, kann man in dem Tuch erkennen.

Schließlich die Blumen: Gänseblümchen, Akelei, Rose, Pfingstrose, Lilie, Löwenzahn.

Jede einzelne hat in der christlichen Kunstgeschichte ihre eigene Bedeutung. Es sind alles Marienblumen. Das wird sie hier im Marienwallfahrtsort Telgte ganz besonders erfreuen: Die Lilie steht für ihre Reinheit, das Gänseblümchen für ihre Demut, der Löwenzahn für ihre  jungfräuliche Empfängnis. Und die Rose ist die Marienblume schlechthin! Das Verbindet uns übrigens. Denn unser voller Name lautet „Gartenkirche St. Marien“. Wir haben Maria als Patronin.  

Aber jede Blume lässt sich auch auf Christus hin lesen: Das Gänseblümchen steht ebenso  für die Demut Christi in seiner Menschwerdung und Passion. Die Lilie verweist auf seine Sündlosigkeit. Die Rose ist Verweis auf seine Liebe und sein Leiden in der Passion, der Löwenzahn steht für die Verwandlung in der Auferstehung.

Das Fastentuch verweistauch so auf die Erlösung des Menschen durch die Menschwerdung Gottes in Maria, das Leiden, Sterben und Auferstehen von Christus.

Es ist ein paradiesisches Bild, das von unserer Sehnsucht erzählt, von unserer Hoffnung auf Frieden und Heil. Ein Bild, dass vom Zentrum unseres gemeinsamen Glaubens erzählt: Wir können heil werden durch die Liebe von Christus.

Fastentücher verhüllen etwas. Aber sie wollen uns so auf das Geheimnis dieser Welt verweisen: In unserer Welt, in der derzeit so grausamer Krieg herrscht, ist das Paradies da. Ist Christus gegenwärtig. Gibt es Heil. Wir feiern dieses Heil, wenn wir hier am Sonntag zusammenkommen und Brot und Wein teilen. Dann blüht das Paradies. Und wir werden schön und heil wie die Blumen auf unserem Tuch und dann lagern wir zusammen wie die verschiedenen Tiere. Und Protestanten und Katholiken, einst so feind wie Wolf und Lamm, liegen friedlich beieinander. Es ist schön, dass unser evangelisches Fastentuch in diesem Jahr bei euch hier in einer katholischen Kirche hängt. Und es ist uns eine große Ehre. Danke dafür!