Bildbetrachtung

Muttergottes von Telgte

Aufrecht sitzt die Mutter da und hält den Leichnam ihres Sohnes auf den Knien. Sie weiß, was Leid ist; so schaut sie den Betrachter an - bekümmert - mitfühlend - teilnehmend. Dieser Blick geht nahe.
Durch Jahrhunderte hat dieses Bild Menschen angesprochen; durch Jahrhunderte haben Menschen ihre Sorgen und Nöte, ihre Ängste und Hoffnungen, ihre Freuden und Leiden zu dieser Mutter getragen und haben versucht, sich vor diesem Bild eine Antwort des Glaubens geben zu lassen. - Für betende Menschen wurde dieses Bild geschaffen; betende Menschen haben es verstanden und verstehen es.
Der Kreis des Lebens hat sich geschlossen. Wie ein Kind auf den Knien seiner Mutter sitzt, so ist der Leichnam Jesu auf den Schoß der Mutter gelegt. Er ist dorthin zurückgekehrt, wo sein menschliches Leben begonnen hat. Welcher Weg liegt dazwischen! Und die Mutter ist diesen Weg mitgegangen - fragend - nicht verstehend - glaubend - hoffend.

Was sie in Händen hält, ist nicht mehr das Kind, das sich an ihr birgt. Eckig - hart, vom Leiden gebrochen, liegt der Leichnam ihres Sohnes auf ihren Knien. Todesstarre zeichnet seinen Körper. Abweisend streckt sich seine Hand aus. Ihre Liebe erfährt keine Antwort. - Der Kopf ist nach hinten gefallen. Er sieht die Mutter nicht mehr. Er hat ausgelitten; seine Gesichtszüge zeigen Ruhe.
Umso tiefer spiegelt sich der Schmerz im Angesicht der Mutter. Obwohl sie den Sohn in den Armen hält, ist sie allein in der Trauer. - Trauer und Leid machen einsam. Der Blick der Mutter geht über den Sohn hinweg - nach innen? - in die Weite? - suchend? - fragend? In ihrem Blick sammeln sich alle Fragen ihres Lebens. Von Anfang an ist ihr Kind der abgelehnte und verfolgte Messias: - das Zeichen, dem widersprochen wird. Von Anfang an ist das Geheimnis ihres Sohnes die Prüfung ihres Glaubens:

  • Als er empfangen wurde: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Worte."
  • Als er in Armut geboren wurde; als er verfolgt wurde und nach Ägypten fliehen musste: - "Er kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen ihn nicht auf:'
  • Als sie ihn in Jerusalem suchte: - "Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? Doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte".
  • Am Beginn seines öffentlichen Wirkens auf der Hochzeit zu Kana: - "Frau, was willst du von mir? Meine Stunde ist noch nicht gekommen".
  • Als sie am Ende seines Leidensweges unter dem Kreuz steht, verweist er auf den Jünger:

"Frau, siehe, da ist dein Sohn".
Von Anfang an hat die Mutter die Passion des Messias teilen müssen - bis in die Einsamkeit des Todes ihres Sohnes. "Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort". - Als sie dieses Wort der Bereitschaft sprach, überschaute sie nicht den Weg, den sie gehen sollte. - Das erfährt sie jetzt in der ganzen Bitternis. Doch die Mutter steht zu ihrem Wort, sie hat den Mut, den geschundenen Leichnam ihres Sohnes anzufassen und zu tragen: fast ermutigend legt sie die Hand auf die erstarrten Knie: - "Mir geschehe nach deinem Wort". Sie bekennt sich zu ihrem Sohn - dem Gekreuzigten; sagt Ja zu seinem und ihrem Kreuz.

Aufrecht sitzt sie da - in aller Trauer doch Hoffnung; trotz des Schmerzes - Ruhe. Der Tod ihres Sohnes kann nicht das Ende sein. Ihr trauriger Blick geht in die Weite: "Frau, da ist dein Sohn!" - ich bin gemeint. Sie weiß um mein Leid, um meine Angst, um meine Sorgen und Hoffnungen. Sie lädt mich ein, mit ihr - an der Hand - meinen Weg zu gehen: den Weg des Glaubens - in der Nachfolge Jesu.  Glauben ist: tun, wie Maria getan hat.

  • Zu Jesus Christus, dem Gekreuzigten gehören.
  • Ihn annehmen und sich an ihm festhalten in der Einsamkeit eines schweren Lebens, in der Krankheit, beim Tode eines lieben Menschen, in einer ausweglosen Situation....
  • Sich - wie Maria - unter dem Kreuz verbunden wissen mit den vielen anderen Schwestern und Brüdern Jesu.
  • Hoffend wider alle Hoffnung, Gott das Menschen-Unmögliche zutrauen.
  • Da sagte Jesus zur Mutter: "Frau, da ist dein Sohn". - Dann sagte er zu dem Jünger: "Da ist deine Mutter".

Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes: Jesus.
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

Quelle: Telgte Pilgerbuch

Weihbischof Josef Voss

Pilgergebet 2022

Maria, Schmerzensmutter von Telgte.
Du hast Ja gesagt zum großen Plan Gottes.
Mit Jesu Geburt berührt nun der Himmel
auf einzigartige Weise unsere Erde.

Erbitte uns Achtsamkeit und Sensibilität,
damit wir dankbar wahrnehmen,
wenn sich uns der Himmel entgegenstreckt.

Erbitte uns Vertrauen,
unsere Erde dem Himmel hinzuhalten,
damit Gott unsere Sorgen und Ängste wandelt,
unsere Freude und unser Glück vollendet.

Erbitte uns die Kraft der Hingabe
und den Mut zum Neubeginn,
damit sich in uns schon jetzt
Irdisches und Himmlisches zum Segen verbindet.

Maria, Schmerzensmutter von Telgte.
Dein Sohn hat durch die Zeiten
viele Menschen zutiefst in ihren Herzen berührt,
er hat sie verwandelt und neu gemacht.

Du hältst uns Deinen Sohn entgegen:
In seinem Tod und seiner Auferstehung
sind Himmel und Erde endgültig eins.

Du Mutter der Schmerzen, bitte für uns.
Du Pforte des Himmels, bitte für uns.
Du Irdische im Himmel, bitte für uns.

Amen.